Die Einzigartigkeit ihrer Entstehung
Normalerweise geht jemand, der ein Buch schreiben möchte, folgendermassen vor: Er sammelt Material, entwirft ein Schema für das Buch, schreibt oder diktiert den Inhalt und lässt das Ganze vervielfältigen oder drucken.
Handelt es sich jedoch um ein Buch, welches von mehreren Autoren geschrieben wird, müssen sich diese erst zusammensetzen und einen Plan entwerfen, der zeigt, wie das Buch aussehen soll. Sie müssen absprechen, wer welchen Beitrag zu dem Buch liefern soll, und meistens gibt es dann noch einen oder mehrere Redakteure, die aus allen Beiträgen ein zusammenhängendes Ganzes machen.
Aber die Bibel ist in dieser Hinsicht völlig einzigartig. Sie wurde von mehr als vierzig Einzelpersonen verfasst, die sich gegenseitig nicht kannten. Das war auch nicht möglich, denn sie schrieben das Buch in einem Zeitraum von etwa 1500 Jahren. Es ist im Grunde ein Wunder, dass die Bibel langsam, über 50 Generationen, zu dem Buch wurde, das wir heute haben. Ohne irgendeinen Plan oder Entwurf fügte sich von Jahrhundert zu Jahrhundert ein Teil zum anderen, bis die Bibel komplett war.
Die Schreiber der Bibel kamen zudem aus sehr unterschiedlichen Milieus und Kulturen. Da gab es zum Beispiel Mose, der am Hof des Pharaos von Ägypten aufwuchs; Josua, den General; Salomo, den König; Amos, den Hirten; Daniel, den Berater des Königs von Babylon; Petrus, den Fischer; Lukas, den Arzt; Matthäus, den Zöllner und Paulus, den Rabbiner.
Sie haben auch an ganz verschiedenen Orten und unter ganz unterschiedlichen Umständem geschrieben. Mose schrieb in der Wüste; Jeremia in einem Kerker; David in seinem Palast; Paulus im Gefängnis; Lukas während der Reise; Johannes im Exil auf Patmos. Sie schrieben in verschiedener Gemütsverfassung: der eine in grosser Freude, der andere in Trauer und Verzweiflung. Sie verfassten ihre Bücher in drei verschiedenen Weltteilen: Asien, Afrika und Europa. Sie schrieben in drei Sprachen: Das Alte Testament grösstenteils in Hebräisch und kleine Teile in Aramäisch; das Neue Testament in Griechisch.
Und aus all diesen verschiedenen Quellen entstand ein Buch, dessen Teile sich ergänzen, aufeinander aufbauen und über 1500 Jahre einen roten Faden bilden.
Mose verfasste um 1400 v.Chr. die ersten fünf Bücher. Als David regierte (950 v.Chr.), waren wieder ein paar hinzugekommen. Kurz nach der babylonischen Gefangenschaft, zur Zeit des Schriftgelehrten Esra (400 v.Chr.), war das Alte Testament fertig. Vierhundert Jahre vor Christi Geburt war das Buch fertiggestellt, das wir heute unverändert vor uns haben. Wie uns der Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet, respektierte man das sogenannte Alte Testament so sehr, dass niemand es gewagt hätte, im Laufe der Jahrhunderte etwas hinzuzufügen oder hinwegzutun.
Der alttestamentliche Kanon wurde bereits vor Jesus von den Juden festgelegt. Die Sammlung von alttestamentlichen Schriften in ein Werk, nennt man Kanon. Die späteren Christen haben den altestamentlichen Kanon der Juden übernommen.
Die Entstehung des Neuen Testaments ist fast noch wunderbarer. Christus selbst hat nie auch nur einen Satz als göttliche Offenbarung geschrieben. Und seine Jünger, die Juden waren, hätten niemals gewagt, dem Alten Testament auch nur einen Satz hinzuzufügen. Sogar 15 Jahre nach der Kreuzigung Jesu hatte man wahrscheinlich noch keinen Buchstaben des Neuen Testaments geschrieben.
Aber dann geschah das Wunder. Ohne dass vorher ein Plan verfasst wurde, entstanden die Bücher des Neuen Testaments. Sie wurden geschrieben von ganz unterschiedlichen Menschen, die oft weit voneinander entfernt lebten. Hier entsteht eine Lebensbeschreibung von Jesus Christus, dort entsteht ein Brief, etwas weiter wird ein prophetisches Buch geschrieben.
Diese Schriften kursieren und werden gesammelt von Christengemeinden, die wohl kaum grosse Schwierigkeiten gehabt haben dürften mit der Frage, welche Bücher nun zu dieser Kollektion gehören und welche nicht: Denn die später allseits anerkannten Bücher stammten sämtlich aus dem Kreis der unmittelbaren Jünger Jesu. Die Kanonbildung des Neuen Testaments war ca. um 100 Jahre n. Chr. abgeschlossen.
Man beachte: Die Verfasser der vier Evangelien setzten sich nicht erst zusammen und kamen dann nach reiflicher Überlegung zu dem Entschluss, dass Matthäus über Christus als den König schreiben sollte, Markus ihn als Knecht zeigen, Lukas ihn als wahren Menschen und Johannes ihn als Gottes Sohn darstellen sollte. Nichts dergleichen. Auch die Briefschreiber kamen nicht zusammen, um festzulegen, dass Paulus und Johannes über christliche Lehre (und das jeder von einem anderen Gesichtspunkt aus) und Jakobus und Petrus mehr über das praktische Christsein schreiben sollten.
Es gab keine solchen Verabredungen. Aber aus der Leitung des Heiligen Geistes heraus beleuchtete jeder einzeln für sich einen bestimmten Aspekt - und als alle Werke fertiggestellt waren, war eine wunderbare Einheit entstanden.